Das bessere GRID 2: Mehr Struktur im Aufbau, besseres Fahrgefühl und jede Menge Destruction-Derby im Multiplayer.
Eigentlich kann man es ganz kurz zusammenfassen: Das ist kein GRID 3, es ist ein Patch für GRID 2. Ein sehr großer Patch, zugegeben. Es ist mehr Inhalt, ein zumindest minimal besser durchdachter Rennkampagnen-Modus, eine Cockpitsicht - eigentlich sogar zwei -, aber am Ende fühlt es sich nicht groß anders an. Der etwas gemeine Spruch „GRID 2: Die 'Es tut uns leid'-Edition" trifft es irgendwo, so leid es mir wiederum für das geschätzte Haus Codemasters tut.
Nur war GRID 2 ja nicht wirklich schlecht. Es fehlten ein paar Dinge, die Ausrichtung zum Straßenrennzirkus war nicht unbedingt gewünscht und der Karrieremodus oft genug eine Zumutung. Die Basis war aber solide und zeigte deutlich die Jahrzehnte an Erfahrung, die der Entwickler vorweisen kann. Diese Basis nun wieder zum echten Motorsport zurückzubringen, die Straßenrennen größtenteils Straßenrennern zu überlassen, das sind genau die Dinge, die das Spiel brauchte. Das und das Fahrmodell wieder zurück in die Nähe des ersten GRID zu rücken. Was Codemasters tat. Was sich auch ausgezeichnet anfühlt. Es ist dieser Idealpunkt zwischen Realismus und Arcade, der euch zwingt, nicht zu nachlässig zu sein, bei dem ihr nicht wie in GRID 2 nach Gusto „powersliden" könnt, der aber selbst mit abgeschalteten Hilfen noch zu handhaben ist. Weg von Dirt, zurück dorthin, wo sich die Serie zuerst platzierte und immer noch gut aufgehoben ist.
Dieses Fahrmodell in Verbindung mit der nach wie vor extrem offensiven, aber nie selbstmörderischen KI ergibt nicht nur ein Fahrgefühl, ihr bekommt echtes Renngefühl. Jeder dieser Wagen will gewinnen. Er wurde nicht nur abgesetzt, um von euch auf Platz 10 überrundet zu werden. Er hat kein Interesse daran, euch Platz 10 zu überlassen, und macht das auch deutlich. Um hier auf dem Treppchen zu landen, müsst ihr etwas leisten, und das im besten Sinne, in dem ein Rennspiel das von euch abverlangen kann. Es fehlt Forzas semi-intelligente Individualisierung der KI, aber sonst liegt das Fahrerfeld von GRID Autosport ganz weit vorn. Und tut alles, um dort vor euch zu bleiben.
Der Weg zurück zum Motorsport teilt sich in der Karriere in fünf Rennklassen auf. Touring, Endurance, Open Wheel - darunter fallen beispielsweise Formel-1- oder Indycar-Wagen -, Tuning und Straßenrennen werden in der Karriere abgearbeitet. Ja, ganz konnten sie nicht auf die Straße verzichten, aber als ein Teil des Ganzen ist sie sogar willkommen. Da naturgemäß bei solch verschiedenen Fahrzeugen und Kursen in jeder Klasse ganz andere Herausforderungen entstehen, ist Abwechslung überhaupt kein Problem. Auch könnt ihr jederzeit die Klasse wechseln, wenn ihr auf eine keine Lust mehr habt, das Spiel zwingt euch zu nicht viel. Sogar auf die schwachsinnige Social-Media-Handlung von GRID 2 verzichtet es.
Lediglich die Endurance-, also Ausdauerkategorie, ergibt wenig Sinn. Wer hier halbstündige oder sogar noch längere Fahrten erwartet, liegt nicht ganz falsch. Acht Minuten dauert es normalerweise, für mehr Erfahrungspunkte könnt ihr die Länge auf das Fünffache erhöhen - das geht bei jedem Rennen, nicht nur den Ausdauerfahrten. 40 Minuten, das sind schon Ausdauerfahrten und in solchen würde man gerne bei vollem Schadensmodell mal einen Reifen wechseln. Nur leider gibt es keine Boxengasse oder etwas Vergleichbares. Wenn ein Reifen platzt, ist das Rennen zu Ende - außer ihr wollt auf den Resten zum Ziel kriechen. Am Ende ließ ich das Schadensmodell einfach ausgeschaltet, um lieber längere Rennen zu fahren und diese nicht durch einen dummen Fehler spät erneut starten zu müssen. Sich heldenhaft in die Boxengasse zu quälen und dann wieder durchzustarten, das wäre atmosphärischer gewesen, aber man kann nicht alles haben.
Wo wir schon dabei sind: Statt wie im ersten GRID ein Team zu managen, hüpft ihr hier von Sponsor zu Sponsor auf der Suche nach noch mehr Geld. Eure Wagen werden von diesen Sponsoren in der Karriere definiert, sodass ihr vielleicht auch mal ein schlechteres Angebot annehmt, um einen bestimmten Wagen zu fahren, aber das ist auch schon das Ausmaß der taktischen Entscheidungen hier. Dank des enormen Umgangs an möglichen Rennen beginnt die Karriere schnell in der Bedeutungslosigkeit zu verlaufen. Da hilft ein persönlichkeitsbefreiter Teamkollege wenig, ihr seid für das Fahren hier und nicht das Drumherum. Was keine schlechte Sache sein muss. Vor allem, weil eben das Drumherum das Spiel nicht länger ausbremst.
Nicht nur die Spielmodi bieten jetzt deutlich mehr Abwechslung, auch die Strecken wurden massiv erweitert. 22 sind es nun, in fast 100 Variationen. Nürburgring, Bathurst, dazu die Straßen von Paris oder Dubai - es dauert eine ganze Weile, bevor ihr das Gefühl haben werdet, alles gesehen zu haben. Nun, mehr oder weniger. Da gerade die Straßenkurse aus GRID 2 bekannt sind, aber die Zahl der echten Rennstrecken auf ein Dutzend erhöht wurde, fällt das kaum ins Gewicht. Visuell Beeindruckendes braucht ihr hier nicht zu fürchten. Die alte Engine gibt sich alle Mühe und auf dem PC sieht es meist sogar wirklich stimmig aus, auf den alten Konsolen ist man halt an den Grenzen angekommen und GRID Autosport definiert sie sicher nicht neu. Es ist hübsch, ohne vom Hocker zu hauen, und das gilt sowohl für die Details der Fahrzeuge als auch die Strecke. Vor allem die beiden Cockpit-Ansichten zeigen den hier nur begrenzt betriebenen Aufwand. Es ist funktional, dass alles außerhalb der Scheibe gut zu sehen ist und alles im Wagen etwas unscharf außerhalb des Fokus liegt. Autoenthusiasten, die ihre Lieblinge bis zum Starterknopf anhimmeln wollen, werden hier aber enttäuscht sein. Es gibt eine Cockpitsicht mit deutlicher Betonung der Sicht und nicht des Cockpits.
Der Multiplayer-Teil bietet erwartungsgemäß ein umfangreiches Lobby-System über Codemasters' eigenes RaceNet - juhu, wieder ein Log-in mehr -, in dem ihr in jeder Konstellation von Strecken und Klassen nach Spielern suchen könnt. Zahlreiche Events und immer wieder neue Ranglisten sollen euch locken, aber seien wir ehrlich: Am Ende hängen sie alle im Destruction-Derby-Modus. Da wird es aller Voraussicht nach am vollsten sein. Warum auch nicht, es macht einfach Spaß, Autos zu crashen. Und Autosport ist nicht die schlechteste Variante, das zu tun. Neben all den ernsten Rennen natürlich.
Ist es also die „Es tut uns leid"-Edition? In gewisser Weise. Nehmt ihr die Entschuldigung an? Diese Entscheidung muss jeder GRID-2-Käufer selbst treffen. Dass Codemasters sie euch so aufbürdet, ist das eigentlich Tragische an GRID Autosport. Es ist in jeder Hinsicht besser als GRID 2. Trotz mehr Auswahl ist es fokussierter, es hat ein paar der zuvor fehlenden Features zu bieten, es ist umfangreicher, es steuert sich besser, es ist das bessere Spiel. Den Rest müsst ihr selbst entscheiden. Es ist ein ehrliches, hochwertiges Codemasters-Best-of, das euch zwar nicht viel um die Piste herum, aber sehr viel auf ihr bieten kann. Einige Punkte wie die halbherzige Cockpitsicht oder die fehlenden Boxenstopps mildern die Freude und es kommt ohne jegliche neue Idee für das Genre, aber trotzdem: Zu fahren, um jeden Platz zu balgen und das neue, alte Fahrgefühl zu genießen, das macht zu viel Spaß. Wenn GRID Autosport also die „Es tut uns leid"-Edition ist, dann nehme ich die Entschuldigung an.
8 / 10